Wie wirken Opioide?
Opioide sind Medikamente, deren Wirkung dem im Schlafmohn vorkommenden Opium ähnlich sind. Klassischer Vertreter dieser Wirkstoffklasse ist das Opium-Alkaloid Morphin.
Opioide wirken im zentralen Nervensystem. Dort vermitteln sie verschiedene Effekte, unter anderem die Abschwächung ankommender Schmerzsignale. Aufgrund dieser Eigenschaft werden Opioide häufig zur Behandlung mittlerer bis schwerer akuter Schmerzzustände eingesetzt (z.B. nach Operationen oder schweren Verletzungen).
Abhängig von der Dosierung, kann eine Behandlung mit Opioiden auch von Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfung, Juckreiz, vermehrtem Schwitzen, Schläfrigkeit, Verwirrtheit oder kritisch verlangsamter Atmung begleitet werden.
Die Anwendung von Opioiden ist nicht ohne Risiko und sollte nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Opiate führen zu körperlicher Abhängigkeit, sprich das abrupte Absetzen kann zu körperlichen Entzugssymptomen führen. Zudem kann bei unkontrolliertem Gebrauch eine psychische Abhängigkeit im Sinne einer Sucht entstehen.
Vor Beginn einer Schmerztherapie mit Opioiden
Grundsätzlich muss zwischen krebsbedingten und nicht-krebsbedingten Schmerzen unterschieden werden.
Opioide mögen einen Stellenwert haben in der Behandlung von schweren akuten Schmerzen (z.B. nach Operationen oder schweren Verletzungen, für einige Tage bis wenige Wochen), sowie bei krebsbedingten Schmerzen. Nicht-krebsbedingte chronische Schmerzen sollten nach Möglichkeit niemals ausschliesslich mit Opioiden behandelt werden. Die wissenschaftlichen Daten zeigen, dass Opioide in diesem Fall nicht wirksamer sind als andere Schmerzmedikamente. Bevor eine Schmerztherapie mit Opioiden überlegt wird, sollten daher verschiedene andere therapeutische Massnahmen bereits ergriffen oder zumindest probiert worden sein (physikalisch, physiotherapeutisch, medikamentös, interventionell, psychologisch).
Die Anwendung von Opioiden birgt verschiedene Risiken, welche durch patienten-spezifische Faktoren erheblich beeinflusst werden können (Alter, Begleiterkrankungen, Begleitmedikamente u.a.). Um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden, ist vor Beginn einer Schmerztherapie mit Opioiden immer eine detaillierte ärztliche Nutzen- Risiko-Abwägung notwendig.
Opioide bei nicht-krebsbedingten Schmerzen
Gemäss der deutschen AWMF-Leitlinie zur Anwendung von Opioiden bei nicht-krebsbedingten Schmerzen, kann bei folgenden Indikationen eine Schmerztherapie mit Opioiden überlegt werden:
- Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie
- Schmerzen nach Gürtelrose (Postherpetische Neuralgie)
- Chronische Arthroseschmerzen
- Chronischer Rückenschmerz
- Phantomschmerz
- Chronischer Schmerz nach Rückenmarksverletzung
- Chronische Schmerzen bei Nervenwurzelschädigung
- Chronische Schmerzen bei rheumatoider Arthritis
Die Behandlungsdauer muss nach Möglichkeit auf 4 bis 12 Wochen beschränkt sein. Während dieser Zeit sollen andere Therapieoptionen evaluiert und versucht werden, so dass dann später wieder auf die Anwendung von Opioiden verzichtet werden kann. Nur bei eindeutiger, signifikanter Schmerzreduktion, kann eine Opioidtherapie länger als 12 Wochen fortgeführt werden.
Im Zweifelsfall: Der i.v.-Opioid-Test als Wegweiser
Falls Unsicherheit darüber besteht ob eine Opioidtherapie versucht, bzw. länger als 12 Wochen weitergeführt werden soll, kann ein ambulant durchgeführter intravenöser Opioidtest hilfreich sein. Durch die protokollierte intravenöse Gabe eines kurzwirksamen Opioids ist es meist möglich, herauszufinden, ob ein Schmerzleiden wirkungsvoll durch ein Opioid behandelt werden kann oder nicht.
In diesen Fällen sind Opioide NICHT empfohlen
Zur Behandlung der nachfolgenden nicht-krebsbedingten Schmerzleiden ist eine Therapie mit Opioiden NICHT empfohlen:
- Migräne
- Spannungskopfschmerzen
- Chronische Unterbauchschmerzen
- Reizdarmsyndrom
- Fibromyalgiesyndrom (Ausnahme: Tramadol)
- Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa)
- Chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung
- Bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen
Unerwünschte Effekte bei Langzeitanwendung
Die Langzeitanwendung von Opioiden kann folgende unerwünschten Effekte zur Folge haben:
- Verlust des sexuellen Verlangens
- Impotenz
- Schwere Zahnschäden bis hin zu komplettem Zahnverlust
- Zyklusstörungen der Frau
- Erhöhte Gesamtsterblichkeit
- Passivität / Antriebslosigkeit
- Merkfähigkeitsstörungen
- Erhöhte Sturzgefahr
Abhängigkeit und Sucht
Opioide führen zu körperlicher Abhängigkeit. Bei korrekter Indikation und Dosierung, sowie regelmässiger ärztlicher Reevaluation ist die Wahrscheinlichkeit einer Sucht klein. Bei fraglicher Indikation und unkontrolliertem Gebrauch hingegen ist die Gefahr der Entstehung einer psychischen Abhängigkeit im Sinne einer Sucht gegeben.
Beendigung einer Opioidtherapie
Eine Schmerztherapie mit einem Opioid sollte periodisch reevaluiert werden und ausschliesslich unter regelmässiger ärztlicher Aufsicht stattfinden. Ist unklar, ob die Therapie mit einem Opioid eine Schmerzlinderung bewirkt, sollte auf eine Beendigung dieser Therapie hingearbeitet werden.
Im Zweifelsfall kann ein ambulant durchgeführter intravenöser Opioidtest die Entscheidung für oder gegen eine Weiterführung einer Behandlung erleichtern.
Autofahren / Bedienen von Maschinen
Während der ersten 1 - 2 Wochen einer Therapie, in der Einstellungsphase, bei einer Dosiserhöhung oder beim Wechsel auf ein anderes Opioid, muss auf das Autofahren bzw. das Bedienen von Maschinen verzichtet werden. Während dieser Zeit sind Nebenwirkungen häufig, welche die Reaktionsfähigkeit einschränken.
Während einer Therapie mit Opioiden sollte Alkohol nur mit Vorsicht genossen werden. Alkohol schränkt das Reaktionsvermögen zusätzlich ein, sodass nach Alkoholgenuss auf das Autofahren verzichtet werden sollte.
Referenzen
- Häuser W, et al., Clinical practice guideline: Long-term opioid use in non-cancer pain. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 732–40.
- Manchikanti L, et al., Opioids for Chronic Non-Cancer Pain: American Society of Interventional Pain Physicians (ASIPP) Guidelines. Pain Physician 2017; 20:S3-S92
- Gustorff B., Intravenous opioid testing in patients with chronic non-cancer pain. Eur J Pain. 2005 Apr;9(2):123-5.