Beispiele neuropathischer Schmerzerkrankungen
- Postherpetische Neuralgie
- Unfallbedingte Nervenverletzung
- CRPS (Morbus Sudeck)
- Chronische Rückenschmerzen
- Schmerzhafte Polyneuropathie bei Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes mellitus)
- Nach Chemotherapie
Klinische Zeichen
Um eine neuropathische Schmerzsymptomatik zu identifizieren und zentralisierte Schmerzsymptome zu finden, sollte in der Untersuchung nachfolgenden klinischen Zeichen gesucht werden:
Hyperalgesie: Ein schmerzhafter Reiz (z.B. Zahnstocher) wird deutlich verstärkt schmerzhaft wahrgenommen.
Hypästhesie: Ein Reiz durch Berührung oder Pieksen wird weniger stark als normalerweise erwartet wahrgenommen.
Allodynie: Ein eigentlich schmerzloser Stimulus (z.B. Berührung mit einem Pinsel oder Watte) wird als schmerzhaft wahrgenommen.
Erhöhte Schmerzsensibilität: Chronische Schmerzen haben oft eine erhöhte Schmerzsensibilität zur Folge, das heisst die Empfindlichkeit für Schmerzen steigt.
WICHTIG: Die Untersuchung soll möglichst an der Stelle maximaler (sensorischer) Symptome durchgeführt werden - jeweils im Vergleich mit einer gesunden, nicht betroffenen Stelle.
Hinweise auf Nervenschmerzen einfach erkennen
Wichtig zu wissen ist, dass eine QST-Untersuchung zwar sinnvoll sein kann, jedoch NICHT unbedingt notwendig ist um eine neuropathische Schmerzerkrankung zu erkennen. Mit den einfachen “Instrumenten” des IISZ - Neuropathic Pain Detection Kits können Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung gewonnen werden:
Zahnstocher - Hyperalgesie suchen
In einem mutmasslich neuropathisch schmerzhaften Hautareal wird mittels Zahnstocher ein schmerzhafter Reiz ausgelöst. Wird dieser Reiz, im Vergleich zu einem anderen, “gesunden” Hautareal, als deutlich schmerzhafter wahrgenommen, kann eine Hyperalgesie postuliert werden.
Pinsel - Allodynie suchen
In einem mutmasslich neuropathisch schmerzhaften Hautareal wird mittels Pinsel die Haut “bestrichen” und ein nicht-schmerzhafter sensorischer Reiz ausgelöst. Wird dieser normalerweise nicht-schmerzhafte Reiz als schmerzhaft empfunden, entspricht dies einer Allodynie im untersuchten Areal.
Wäschklammer - Schmerzsensibilität prüfen
Langjährig chronifizierte Schmerzerkrankungen haben oft eine erhöhte Schmerzsensibilität zur Folge. Klemmt man eine Wäscheklammer während 10 Sekunden an ein Ohrläppchen und erfragt unmittelbar danach die empfundene Schmerzintensität auf der “Numeric Rating Scale” NRS (NRS 0 = kein Schmerz, NRS 10 = grösster Schmerz, den man sich vorstellen kann), kann das Vorliegen einer erhöhten Schmerzsensibilität abgeschätzt werden. Ist der angegebene NRS-Wert >6 besteht der Verdacht auf eine erhöhte Schmerzsensibilität des zentralen Nervensystems.
Neuropathic Pain Detection Kit

QST - Quantitative sensorische Testung
Nervenschmerzen und zentralisierte Schmerzzustände werden im professionellen Setting mittels einer “quantitativ sensorischen Testung” (QST) gesucht und diagnostiziert. QST stellt eine psychophysische Methode dar zur Quantifizierung des Funktionsstatus des somatosensorischen Systems. QST bewertet alle Arten von afferenten (sensiblen) Nervenfasern durch Anwenden von quantitativen und abgestuften Stimuli (abgestufte von-Frey-Haare, mehrere Nadelstichstimuli, Druckalgometer, quantitatives Thermo Testing, Stimmgabel usw.) unter Verwendung spezifischer Testalgorithmen. Um eine QST korrekt durchführen zu können ist eine gewisse Erfahrung und auch eine spezifische Ausrüstung notwendig.
Wann ist eine QST-Untersuchung empfehlenswert?
Wenn klinische Hinweise auf eine neuropathische Schmerzerkrankungen bestehen und eine genauere Abklärung notwendig wird, kann die QST eine hilfreiche diagnostisches Instrument sein. QST ermöglicht es zwischen neuropathischen und nicht-neuropathischen Schmerzzuständen zu unterscheiden.
Wenn standardmäßige elektrophysiologische Tests normal erscheinen und der Verdacht auf eine Neuropathie der kleinen Fasern weiterhin besteht, kann QST Defizite der Funktion der sensorischen Nervenfasern aufdecken.
Sensory Phenotyping
In Zukunft könnte QST für Erstellung eines individuellen, patienten-spezifischen, somatosensorischen Profils („Sensory Phenotyping“) wichtig sein. QST könnte helfen, der Schmerzerkrankung zugrunde liegende Mechanismen zu erkennen und künftig bei therapeutischen Entscheidungen helfen, die auf einer mechanismen-orientierten anti-neuropathischen Schmerztherapie basieren.
Krankheitsverlauf mit QST beobachten
QST kann sensorische Defizite im Laufe der Zeit überwachen und ist nur zur Dokumentation von Schmerzerkrankungen hilfreich. Beispielsweise bei Patienten mit einer (diabetischen) Polyneuropathie, kann QST, einen weiteren sensorischen Verlust erkennen und somit dazu beitragen, potentielle Komplikationen wie diabetische Fußgeschwüre zu vermeiden.
Einschränkungen von QST
Die QST ist eine subjektive Untersuchung. Sie ist abhängig von Aufmerksamkeit, Motivation, Fehlverhalten, Sprachdefiziten und kognitive Defiziten des untersuchten Patienten. Eine QST kann nur eine qualitativ gute, verwertbare Aussage liefern wenn der untersuchte Patient gut kooperiert.
QST hat keinen eigenen Diagnosewert und sollte als zusätzliches Diagnosewerkzeug verwendet werden. Es muss in einen weiten Kontext gestellt und zusammen mit den Ergebnissen klinischer Untersuchungen am Krankenbett, Schmerzfragebögen, Studien zur Geschwindigkeit der sensorischen Nervenleitung (Elektroneurographie) und somatosensorisch evozierten Potentialen interpretiert werden.