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Complex Regionales Schmerzsyndrom (CRPS)

Von Dr. med. Emmanuel Coradi 04.11.2020

Einführung

Das “Complex Regional Pain Syndrome” (CRPS) ist eine ungenügend verstandene Erkrankung. Betroffene Menschen leiden unter ständigen, oft schwergradigen Schmerzen. 

Bei den meisten von CRPS betroffenen PatientInnen, wird die Problematik durch eine Verletzung ausgelöst. Typisch ist, dass bei Betroffenen die Schmerzproblematik unüblich stark ist und länger als gemeinhin erwartet anhält. Normalerweise ist nur eine Gliedmasse (z.B. eine Hand) betroffen. Selten kann es aber zu einer Ausweitung der CRPS-Symptome auf andere Körperregionen kommen.

 

Ein Schmerzsyndrom mit vielen Namen

Die ersten Beschreibungen des CRPS erfolgten Ende des 19. Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene synonyme Bezeichnungen verwendet:

  • Morbus Sudeck
  • Reflexdystrophie
  • Algodystrophie
  • Sympathische Reflexdystrophie

Diese Bezeichnungen wurden zunehmend durch den international vereinheitlichten Begriff des Complex Regional Pain Syndrom (CRPS) ersetzt.

 

Symptome

Leitsymptom Schmerz
Das Leitsymptom des CRPS ist Schmerz. Betroffene PatientInnen beschreiben oft eine Kombination aus brennenden, stechenden und kribbelnden Schmerzen.

Übersensibilität
Die Haut der betroffenen Gliedmasse kann überaus sensibel sein. Leichte Berührungen, die normalerweise nicht schmerzhaft sind, oder Veränderungen der Umgebungstemperatur, können  intensive Schmerzen auslösen. 

Folgende medizinischen Begriffe sind in diesem Zusammenhang wichtig:

  • Hyperalgesie - Lokaler äusserer Druck, oder ein Temperatureinfluss, der normalerweise nicht als schmerzhaft wahrgenommen wird, löst eindeutig Schmerzen aus.
  • Allodynie - Eine normalerweise nicht schmerzhafte Berührung (z.B. Bestreichen der Haut) löst eine unangenehme Schmerzreaktion aus.

Plötzliche Schwellungen, überraschende Temperaturveränderungen
Betroffene Körperareale können immer wieder anschwellen. Mitbetroffene Gelenke sind dann oft steif, die Beweglichkeit eingschränkt. Die Haut kann überwärmt, gerötet und trocken erscheinen, zu einem späteren Zeitpunkt aber auch genauso kalt, bläulich und schweissig sein.

Verändertes Haar- und Nagelwachstum
An von CRPS betroffenen Gliedmassen, kann es zu unüblich langsamem oder auch raschem Haar- und Nagelwachstum kommen.

Komische Sensationen  
In der von CRPS betroffenen Gliedmasse kann es zu komischen Sensationen kommen. Sie kann sich anfühlen, als gehörte sie nicht zum Körper. Im Vergleich zur gesunden Gegenseite, kann sich eine betroffene Gliedmasse kleiner oder auch grösser anfühlen.

Stress kann ein CRPS verschlechtern
Stress kann zu einer vorübergehenden Zunahme von CRPS-Symptomen führen. Diese “Flare-ups” verschlechtern die Schmerzsituation und können für Tage bis Wochen anhalten, bevor es wieder zu einer Verbesserung kommt.

Ursachen

Meist entwickelt sich ein CRPS in Folge einer Verletzung. Typischerweise tritt die Symptomatik innerhalb von Wochen nach der erlittenen Verletzung auf. Verletzungen, die mit einem CRPS in Zusammenhang gebracht werden, können beispielsweise Knochenbrüche, Schnittverletzungen, chirurgische Eingriffe, Verbrennungen oder auch einfach eine Verstauchung sein.

Die genauen Ursachen bzw. die Entstehungsmechanismen eines CRPS sind unbekannt. Aufgrund der komplexen Natur der Symptome, scheint es unwahrscheinlich, das diese Krankheit eine einzelne, einfache Ursache hat. 

Eine der Haupttheorien basiert auf der Annahme, dass ein CRPS das Resultat einer abnormalen, erweiterten Reaktion des Körpers auf eine Verletzung ist. Es ist davon auszugehen, dass verschiedene Systeme des Körpers Fehlfunktionen aufweisen können und gemeinsam zu einem CRPS beitragen:

  • Gehirn und Rückenmark
  • Periphere Nerven (=Nerven ausserhalb von Gehirn und Rückenmark) 
  • Immunsystem
  • Blutgefässe (Arterien und Venen)

Diagnose

Die Diagnose eines CRPS ist schwierig. Es existiert kein geeigneter Test, der eine zweifelsfreie Diagnose ermöglicht. Das CRPS wird üblicherweise durch den Ausschluss anderer Krankheiten, die ähnliche Symptome aufweisen, diagnostiziert.

Kann eine chronifizierte Schmerzproblematik im Bereich einer Gliedmasse, durch die ärztliche Untersuchung, gezielte Bluttests und radiologische Methoden (z.B. MRI, Röntgen, Szintigraphie) nicht hinreichend erklärt werden, ist das Vorliegen eines CRPS denkbar.

Die Diagnosestellung erfolgt letzten Endes entsprechend den Kriterien der IASP (International Association for the Study of Pain), die 2003 in Budapest erstellt wurden und daher auch als „Budapest-Kriterien“ bezeichnet werden.

Therapeutische Optionen

Um eine weitere Chronifizierung möglichst abzuwenden und um eine Heilung zu unterstützen, soll die Behandlung eines CRPS so früh wie möglich begonnen werden.

Die Behandlung eines CRPS umfasst fast ausnahmslos eine Kombination verschiedener therapeutischer Massnahmen. Die therapeutischen Ziele sollen nicht nur auf die Reduktion der Schmerzproblematik ausgerichtet sein, sondern auch auf die Verbesserung bzw. den Erhalt der Funktion der betreffenden Gliedmasse (z.B. Fuss: Gehen, Hand: Greifen). 

Eine geeignete Therapie des CRPS muss individuell auf den betroffenen Patienten abgestimmt werden. In der Regel werden nicht-medikamentöse, medikamentöse und ggf. auch interventionelle Massnahmen miteinander kombiniert.

  1. Selbstmanagement
    • Aktiv und selbstständig sein trotz CRPS
    • Stresssituationen, die das CRPS verschlechtern verhindern
    • Training im Umgang mit Schmerzspitzen
  1. Psychologische Unterstützung
    • Ggf. Psychotherapie
  2. Physiotherapie
  3. Basisschmerzmittel
    • NSAR (z.B. Ibuprofen), Paracetamol, Metamizol
  4. Antineuropathische Medikamente
    • Trizyklische Antidepressiva
    • SSNRI - Antidepressiva
    • Antiepileptika
  5. Behandlung mit Opiaten
    • Bei starken unkontrollierten Schmerzen
    • Nur unter enger ärztlicher Überwachung
  6. Lokale / Topische Medikamente
    • Lokalanästhetika (z.B. Lidocain-Gel)
    • Amitriptylin - Ketamin - Salbe
    • DMSO - Salbe
  7. Serielle Infusionsbehandlungen
    • Serielle Infusion des NMDA-Rezeptor-Antagonisten Ketamin
  8. Interventionelle Optionen
    • Repetitive Blockaden des sympathischen Nervensystems (Hand: Ggl. stellatum, Fuss: Grenzstrang)
  9. Neuromodulation
    • Rückenmarksstimulation (SCS)

Prognose

Es wird geschätzt, dass c.a. 85% der von CRPS betroffenen PatientInnen innerhalb von zwei Jahren, eine merkliche Verbesserung ihrer Symptome erfahren.

Referenzen

Birklein F. et al., Diagnostik und Therapie komplexer regionaler Schmerzsyndrome (CRPS), S1-Leitlinie, 2018; Deutsche Gesellschaft für Neurologie

www.rheuma-schweiz.ch: Schwerpunkt Komplexes Regionales Schmerzsyndrom

 






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